Die Referenten und ihre Vorträge
Das eingeschr�nkte Leben - Auswirkungen mangelnder Bindungserfahrungen
Der Mensch ist ein h�chst differenziertes Kulturwesen. Sein Gehirn ist zwar
physiologisch auf Gemeinschaft und Kultur vorbereitet, bedarf aber vielschichtiger Gestaltungshilfe
von aussen. In den ersten Lebensjahren wird diese Hilfe durch eine tiefe, gef�hlsbetonte
Verbundenheit mit besonderen, f�rsorglichen, reifen Erwachsenen gegeben. Dies nennt man Bindung.
Ohne pers�nliche Bindungen entwickeln sich S�uglinge nicht zu sozial sympathischen Mitmenschen.
Die Natur hat den S�ugling mit differenzierten M�glichkeiten zum Ausdruck seiner emotionalen
Bed�rfnisse ausgestattet. Aufmerksame Erwachsene k�nnen seine Mitteilungen richtig interpretieren
und ihn deshalb verstehen. Sie versetzen sich in seine Lage, indem sie die zum Ausdruck geh�renden
Gef�hle mitempfinden - Empathie - und prompt und angemessen - mit Sympathie - beantworten. Dies
geschieht nicht nur bei Hunger, Durst, und k�rperlichen N�ten, sondern vor allem bei dem Wunsch
nach pers�nlicher N�he - Tr�sten und Schmusen - und feinf�hligen spielerischen Zusammenspiels.
Daraus entsteht psychische Sicherheit und Wohlbefinden als emotionale Grundlage der weiteren
Entwicklung. Die sp�teren Entwicklungen von Motiven, Zielen, pers�nlichen Lebensinhalten, von
Lebensfreude, Engagement und mitmenschlicher Empathie h�ngen eng mit der Orchestrierung der
Gef�hle in Bindungsbeziehungen im ersten Lebensjahr zusammen.
Dem S�ugling weniger zugewandte Bindungspersonen riskieren eine unsichere Bindungsentwicklung.
Desinteressierte oder st�ndig wechselnde Erzieher wie in manchen Institutionen gef�hrden eine
psychisch gesunde Entwicklung in ganz besonderem Ma�e. Solche Kinder k�nnen in ihren pers�nlichen
Beziehungen zu mehr oder weniger gef�hlskalten Vermeidern werden, zu trostlos verstrickten
�ngstlich abh�ngigen - nicht anh�nglichen - Personen, oder zu desorganisierten und desorientierten
Beziehungen neigen. Personen.
Darin liegen gravierende Einschr�nkungen m�glicher Lebenserfahrungen. Sie betreffen vor allem
den pers�nlichen Umgang mit anderen Menschen. Neuere hirnphysiologische Erkenntnisse lassen
folgendes vermuten: Die Verkn�pfung der Gef�hle mit ihrer Bedeutung f�r Lebensinhalte, Interessen
und �verbindlichem� Denken, Planen und Handeln bleibt unterentwickelt. Sie sind auch sp�terer
Einsicht nur schwer zug�nglich. Sie k�nnen zu psychischen Einschr�nkungen und h�ufig auch zu
Entfremdungen, zu unangemessen Gef�hlen und Erwartungen gegen�ber vertrauten Mitmenschen f�hren.
Ungeplante Abweichungen von sozialen Normen, die unser Zusammenleben regeln, kommen in ihrem
Leben h�ufiger vor.
Informationen �ber den Autor
Prof. Dr. phil. Klaus E. Grossmann, Universit�t Regensburg
Geboren 1935 in Leipzig, Abitur 1955 in Hamburg. Kaufm�nnische Lehre 1955-1957 (abgeschlossen).
Studium der Psychologie, Universit�t Hamburg bei Prof. Bondy und Hofst�tter 1957 -1961
(Diplom in Psychologie, 1961). Fulbright-Stipendiat, New Mexico State University (1991-62) und
University of Arkansas 1992-65 (Philosophical Doctor, 1965). Wissenschaftlicher Assistent am
Zoologischen Institut der Universit�t Freiburg im Br., 1965 - 1969 bei Prof. Dr. B. Hassenstein;
dort Habilitationsstipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft, 1969 - 1971 (Dr. habil. in
Verhaltensbiologie und Psychologie, 1971). Ruf auf einen Lehrstuhl f�r Psychologie in Bielefeld
(1970 - 1978) und Regensburg (Entwicklungspsychologie, 1978 bis jetzt). Bindungstheoretisch
orientierte L�ngsschnitt-untersuchungen, zusammen mit Dr. Karin Grossmann, seit 1975.
Forschungsaufenthalte: in Minneapolis, Sapporo, Washington, Berkeley, San Diego, Kooperationen
in Thailand, Japan, Israel und auf den Trobriand-Inseln (Feldforschung). Forschungsf�rderung
durch Stiftung Volkswagen, Deutsche Forschungsgemeinschaft, National. Institutes of Mental
Health, Bethesda, MD, USA, und Koehler-Stiftung.
Ver�ffentlichungen (wissenschaftliche Arbeiten)
- Grossmann, K.E., Grossmann, K. & Zimmermann, P. (1999). A Wider View of Attachment and Exploration:
Stability and Change During the Years of Immaturity. In J. Cassidy & P. R. Shaver (Eds.) Handbook
of Attach�ment: Theory, Research, and Clinical Appli�cations (pp. 760-786). New York: Guilford
Press.
- Grossmann, K.E., Grossmann, K., Winter, M. & Zimmermann, P. (in Vorb.) Attachment Relationships
and Appraisal of Partnership: From Early Experience of Sensitive Support to Later Relationship
Representation. In Lea Pulkkinen & Avshalom Caspi (Hrsg.) Personality in the Life Course:
Paths to Successful Development (Arbeitstitel). Cambridge. Cambridge University Press.
- Grossmann, K.E., Becker-Stoll F., Grossmann, K., Kindler H., Schieche M., Spangler G.,
Wensauer M. & Zimmer�mann P. (1997) Die Bindungstheorie: Modell, entwicklungspsychologische
Forschung und Ergebnisse. In Heidi Keller (Hrsg.), Handbuch der Kleinkindforschung. G�ttingen.
Hogrefe. S. 51-95.
- Grossmann, K.E. & Grossmann, K. (im Druck). Die Bedeutung sprachlicher Diskurse f�r die
Entwicklung internaler Arbeitsmodelle von Bindung. In Gabriele Gloger-Tippelt (Hrsg.).
Bindung im Erwachsenenalter. Bern. Huber.
- Grossmann, K.E. & Grossmann, Karin. (1995) Fr�hkindliche Bindung und Entwicklung individueller
Psychodynamik �ber den Lebenslauf. Familiendynamik, 20, 171-192.
- Grossmann, K.E. (1995). The evolution and history of attachment research and theory. In S.
Goldberg, R. Muir & J. Kerr (Eds.) Attachment theory: Social, developmental and clinical
perspectives, (pp. 85-102). Hillsdale, NJ.: The Analytic Press.
- Grossmann, K.E. (1996). Lerndispositionen des Menschen. Kap. 3 in J. Hoffmann & W. Kintsch
(Hrsg.) Lernen. Enzyklop�die der Psychologie (C/II/7). S. 131-178. G�ttingen: Hogrefe.
- Grossmann, K.E. (1997a). Bindungserinnerungen und adaptive Perspektiven. In G. L�er & U. Lass
(Hrsg.): Erinnern und Behalten. Wege zur Erforschung des menschlichen Ged�chtnisses.
(Attachment memories and adaptive perspectives). G�ttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. S 321-337.
- Grossmann, K.E. (1999). Old and new Internal Working Models of Attachment: The organisation
of feelings and language. Attachment and Human Development, Vol. 1 (3), 253-269
- Grossmann, K.E. & Grossmann, Karin. (im Druck). Bindungsqualit�t und Bindungsrepr�sentation
�ber den Lebenslauf. In R�per, Gisela; Noam, Gil und von Hagen, Cornelia (Hrsg.). Entwicklung
und Risiko. Perspektiven einer Klinischen Entwick�lungs�psychologie. Stuttgart: Kohlhammer.
- Grossmann, Karin, Grossmann, K.E., Fremmer-Bombik, E., Kindler, H., Scheuerer-Englisch, H. &
Zimmermann, P. (in Vorb.). The uniqueness of the child-father attachment relationship: Fathers'
sensitive and challenging play as the pivotal variable in a 16-year longitudinal study. Child
Development
- Grossmann, Karin. & Grossmann, K.E. (1998). Eltern-Kind-Bindung als Aspekt des Kindeswohls.
In Br�hler Schriften zum Familienrecht (10). Zw�lfter Deutscher Familien�gerichts�tag,
24.-27.9.1997. Br�hl: Dt. Familien�gerichts�tag e.V. S. 76-87.
- Grossmann, Karin. & Grossmann, K.E. (im Druck). Parents and toddlers at play: Evidence for
separate qualitative functioning of the play and the attachment system. In P. Crittenden (Ed.).
The organization of attachment relationships: Maturation, culture and context. Cambridge:
Cambridge University Press.
- Grossmann, Karin. (1990). Entfremdung, Abh�ngigkeit und Anh�nglichkeit im Lichte der
Bindungstheorie. Praxis der Psychotherapie und Psychosomatik, 35, 231-238.
Ver�ffentlichungen (allgemeinverst�ndliche Beitr�ge)
- Grossmann, K.E. & Grossmann, Karin (2000). Bindung und Interaktion- Dimensionen der professionellen
Beziehungs�gestaltung. In G. Parfy (Hrsg.). Berufsverband �sterreichischer Psychologinnen und
Psychologen.
- Grossmann, K.E. & Grossmann, Karin (1999). Bindungen. In Deutscher Familienverband (Hrsg.)
Handbuch Eltern�bildung. Band 1: Wenn aus Partnern Eltern werden. Opladen: Leske & Budrich, 507-531.
- Grossmann, Karin. (1999). Merkmale einer guten Gruppenbetreuung f�r Kinder unter drei Jahren
im Sinne der Bindungstheorie und ihre Anwendung auf berufsbegleitende Supervision. In: Deutscher
Familienverband (Hrsg). Handbuch Elternbildung. Band 2: Wissenswertes im zweiten bis vierten
Lebensjahr des Kindes (165-184). Opladen: Leske & Budrich.
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