Das Altinger Konzept
Geschrieben am Friday, 03. December von admin
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Ulrich Scheufele schreibt: "Referat - Kongress in G�ttingen 26/27.11.2004
Leider ist dieses Referat am Kongress ausgefallen. Herr Scheufele - Rektor der Grund- und Hauptschule mit Werkrealschule aus Altingen hat uns sein Referat zur Ver�ffentlichung in win-future �berlassen. Vielen Dank!
Das Altinger Konzept
Sehr verehrte Damen und Herren, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen,
die Bildungspl�ne f�r die Hauptschule in Baden-W�rttemberg lie�en bereits in der Vergangenheit den Schulen gen�gend Spielr�ume, eigene p�dagogische, unterrichtliche und organisatorische Konzepte bzw. Schulprofile zu entwickeln, die sie in der �ffentlichen Wahrnehmung unverwechselbar machten. Seit �ber 25 Jahren arbeiten wir in Kooperation und im Austausch mit Hochschulen, Universit�ten, Fortbildungseinrichtungen und der Wirtschaft an einem Schulprogramm, das zwischenzeitlich in einer breiten �ffentlichkeit als "Altinger Konzept" bekannt und von der Fach�ffentlichkeit anerkannt ist.
Am Beispiel der Entwicklung des Altinger Konzeptes zeigt sich sehr deutlich, dass unsere Bildungsinstitutionen die Probleme, vor denen sie stehen, nicht mehr aus eigener Kraft l�sen k�nnen. Sie sind auf die fachlichen und �konomischen Ressourcen der Gesellschaft im Ganzen angewiesen.
Das Altinger Konzept ist kein starres Modell, sondern eine Konzept, das sich st�ndig im Fluss befindet. Es nimmt Elemente aus der p�dagogischen und didaktischen Tradition und Gegenwartsdiskussion auf und verwirft solche, die nicht mehr zeit- oder kindgem�� sind. Es reagiert auf Ver�nderungsprozesse innerhalb unserer Gesellschaft, der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes, jedoch mit der grundlegenden Forderung, dass Schule immer ein gesch�tzter Schon-, Arbeits- und Erfahrungsraum mit allgemeinbildendem, erzieherischem und p�dagogischem Auftrag bleiben muss.
Oberste Ziele unserer Arbeit sind Selbstbestimmung, Mitbestimmung und Solidarit�t. Dazu ist es erforderlich Schule zu humanisieren, zu demokratisieren und effizienter zu gestalten. Diese Ziele sind untrennbar miteinander verbunden. Die Wertsch�tzung jedes Einzelnen ist eine unverzichtbare Voraussetzung f�r demokratisches Handeln und f�r die Aneignung von Wissen, das pr�gt und solidarisches Handeln erm�glicht. Dabei ber�cksichtigen wir die institutionellen Rahmenbedingungen der Schule, die Interessen und Bed�rfnisse aller, die in ihr leben und zusammenarbeiten m�ssen und die Ressourcen vor Ort.
Solche Zielvorstellungen sind schnell formuliert, h�ren sich interessant und modern an. Die Schwierigkeiten die damit verbunden sind, diese Ziele zu verwirklichen, werden jedoch erst deutlich, wenn wir uns die Rahmenbedingungen vergegenw�rtigen unter denen sie realisiert werden m�ssen:
1. Wir arbeiten an einer Hauptschule - die Sch�lerinnen und Sch�ler, die zu uns kommen, haben sich in der Regel nicht freiwillig f�r den Besuch der Hauptschule entschieden. Sie w�ren lieber an eine Realschule oder an ein Gymnasium gewechselt.
2. Viele dieser Sch�lerinnen und Sch�ler haben w�hrend ihrer Grundschulzeit entt�uschende und verletzende Lernerfahrungen gemacht.
3. Ihre Lebensprobleme sind h�ufig gravierender als ihre Lernprobleme.
4. Ihre private Sph�re ist eher autorit�r als demokratisch gepr�t.
5. Unter den W�hlern rechtsradikaler oder rechtspopulistischer Parteien finden sich bei �ffentlichen Wahlen unverh�ltnism��ig viele W�hler, die die Hauptschule besuchten. Das sehen wir mit gro�er Sorge.
Wir verstehen Schule im Sinne Hartmut von Hentig als Polis im Kleinen, in der Wertvorstellungen, Haltungen und Umgangsformen in einem Alltag mit demokratischen Strukturen unmittelbar erfahren, gelernt und gelebt werden k�nnen. Gelebte Demokratie braucht eine Wirklichkeit, in der gehandelt werden muss. Demokratisches Denken und Handeln kann nur bedingt �ber Unterrichtsinhalte und das �bliche schulische Lernen vermittelt werden. Die aktive Mitgestaltung und Mitbestimmung der Sch�lerinnen und Sch�ler in m�glichst allen Bereichen der Schule ist daf�r die Voraussetzung. Ein bisschen Demokratie gibt es nicht und sie findet auch nicht nur in den K�pfen der Menschen statt.
Deshalb macht es auch keinen Sinn, Gremien wie die Sch�lermitverwaltung einzurichten, wenn diese Gremien keine wirklichen Aufgaben haben, keine wirklichen Entscheidungen f�llen k�nnen oder die gef�llten Entscheidungen keine Konsequenzen haben. Es macht auch keinen Sinn, Kinder in schulischen Gremien - wie der Schulkonferenz - mitentscheiden zu lassen, wenn sie nicht gelernt haben in Gremien zu arbeiten, zu entscheiden, die Entscheidungen durchzusetzen und mitverantworten zu k�nnen.
Alles, was wir an der Altinger Schule tun, dient deshalb zu aller erst der Entwicklung der Pers�nlichkeit und damit der St�rkung des Selbstwertgef�hls unserer Kinder. Nur wer ein gesundes Selbstbewusstsein besitzt, kann Achtung und Respekt sich selbst und anderen Menschen gegen�ber aufbringen, kann seine Meinung angstfrei �u�ern, zu seiner Meinung stehen und zwischen Alternativen entscheiden. Nur wer in einem relativ gesch�tzten Raum gelernt hat, sich zu behaupten und standzuhalten, kann in gr��eren gesellschaftlichen Zusammenh�ngen Zivilcourage entwickeln und sitzt nicht ideologischen Vereinfachungen und eing�ngigen Parolen auf.
Eine Atmosph�re, in der sich Kinder ernst- und angenommen f�hlen
Kinder brauchen neben der Erfahrung, dass sie ernst genommen werden, auch die Gewissheit, dass sie zun�chst so angenommen werden, wie sie sind. Dies dr�ckt sich in einer entspannten, angstfreien Atmosph�re aus, die vor allem von der Qualit�t der Beziehungen zwischen den Kindern und zwischen ihnen und uns Erwachsenen abh�ngig ist. Eine wichtige Voraussetzung, um diese Atmosph�re zu schaffen, ist das Klassenlehrerprinzip. Dadurch, dass der Klassenlehrer viele Stunden in seiner Klasse unterrichtet und mit seinen Sch�lern gemeinsam viel Zeit verbringt, k�nnen sich stabilere Beziehungen entwickeln, auf deren Hintergrund sich gegenseitiges Vertrauen aufbauen kann.
Zu einer guten und entspannten Atmosph�re geh�ren aber auch Klassenr�ume,
in denen sich Kinder wohl und geborgen f�hlen. Es m�ssen R�ume sein, in denen sie gerne gemeinsam arbeiten und leben wollen. Ferner ist es notwendig, die von au�en aufgezwungenen Abl�ufe zu ver�ndern, wie beispielsweise das Klingelzeichen abzuschaffen, den Unterrichtstag und die Woche zu rhythmisieren, wodurch der psychische Druck, die innere und inhaltliche Zerrissenheit entsch�rft und die zeitliche Gestaltung der Abl�ufe innerhalb der Klassengemeinschaft in die H�nde der Lehrer und Sch�ler zur�ckgegeben wird.
Wichtige Voraussetzung daf�r, dass in schulischen Gremien erfolgreich gearbeitet werden kann, sind auch R�ume, die von den Sch�lerinnen und Sch�lern selbst eingerichtet, gestaltet und verwaltet werden k�nnen. Sch�lermitverwaltung oder Streitschlichtung ohne R�ume k�nnen nicht effektiv existieren. Deshalb wurde an der Altinger Schule ein Mediationsraum und eine Gartenh�tte als Kiosk eingereichtet und ein alter Bauwagen zum Sch�lercaf� �ber Jahre hinweg ausgebaut. Selbstbestimmtes Verhalten wird sehr stark von solch konkreten, selbst gestalteten Handlungsfeldern und Handlungsr�umen getragen. Der Schulvandalismus geht bei uns gegen null, weil die R�ume, in denen Sch�lerinnen und Sch�ler t�glich leben und arbeiten, von ihnen mitgestaltet und mitverwaltet werden.
Gemeinschaft proben und erleben - Die Mediation, Sch�lerversammlung und Schulversammlung
Die Lebensbedingungen unter denen Kinder und Jugendliche in unserer Gesellschaft heute aufwachsen sind zunehmend von Konkurrenz, Wettbewerb und Gewalt gepr�gt. Schule muss deshalb einen Schonraum bieten, in dem �ber diese gesellschaftlichen Verh�ltnisse kritisch nachgedacht und �ber die dahinter stehenden Interessen reflektiert werden kann. Deshalb muss Schule ernst werden, indem sie neben den Gremien, die das Schulgesetz vorschreibt, offizielle Gremien und Einrichtungen, wie die Sch�lerversammlung, Schulversammlung und Mediation schafft, in denen Konflikte bearbeitet, aber auch konkret Mitbestimmung praktiziert werden kann. Hier gibt nicht der �ltere oder St�rkere den Ton an, sondern das bessere Argument und die gemeinsamen Erfahrungen sind Grundlagen von Entscheidungen und f�r eine den Einzelnen verpflichtenden Ordnung.
Das alles geht nicht ohne Sprache und sprachliche Bildung. Die vielf�ltigen Diskussionen der Sch�lerinnen und Sch�ler in diesen Gremien sind nach unseren Erfahrungen eine ideale Form der rhetorischen Schulung. Unsere Hauptsch�lerinnen und Hauptsch�ler sind am Ende ihrer Hauptschulzeit ausgesprochen sprachgewandt und sehr gut in der Lage ihre Interessen, Vorstellungen und Bed�rfnisse zu vertreten, zu artikulieren und zu diskutieren.
Die Sch�lerinnen und Sch�ler an der Altinger Schule k�nnen ihre pers�nlichen Konflikte mit der Lehrermediatorin oder mit den Sch�ler-Streit-Schlichtern kl�ren und L�sungen finden. In der Mediation geht es um Probleme, die nicht die ganzen Klasse betreffen oder bei denen die Vertraulichkeit f�r die L�sung des Problems Voraussetzung ist. Die Mediation ist ein gesch�tzter Ort, von dem nichts nach au�en dringt, von dem die Kinder wissen, dass es nicht um Bestrafung geht, sondern dass ihnen dabei geholfen werden soll, ihre Schwierigkeiten zu l�sen.
Geht es um Anliegen der ganzen Klasse, k�nnen sich die Kinder in der Sch�lerversammlung zu Probleml�sungsprozessen oder organisatorischen Fragen zusammensetzen. In der Sch�lerversammlung werden aber auch Projekte und Unterricht gemeinsam geplant und reflektiert, Anregungen f�r die Klasse und die Schule aufgenommen und diskutiert und die Paragraphen der Klassenordnung verabschiedet.
Werden in der Sch�lerversammlung Konflikte und Probleme angesprochen, ist das, was besprochen wird streng vertraulich. Die Sitzungen werden von den Sch�lern selbst geleitet, der Vorsitz wechselt von Versammlung zu Versammlung. Es werden Beschl�sse gefasst, die in der Regel zum Handeln f�hren. Es gilt das Prinzip der Wiedergutmachung und nicht das der Strafe. Man sitzt nicht �ber jemanden zu Gericht. Alle haben nur eine Stimme, Sch�ler wie Lehrerinnen und alle haben sich, ohne Ausnahme, an die Beschl�sse der Sch�lerversammlung zu halten, die von einer Protokollanten festgehalten werden. Der Versammlungsleiter oder eine bestimmte Gruppe gew�hrleisten deren Umsetzung. Versto�en die Beschl�sse gegen bestehendes Recht oder wird der Grundsatz �Die W�rde des Menschen ist unantastbar� verletzt, hat der Erwachsene, der Lehrer ein Vetorecht. In dem Ma�e, in dem wir Verantwortung an unsere Kinder und Jugendliche abgeben und �bertragen, steigt unsere Verantwortung proportional.
Die Sch�lerversammlung ist mit ein �bungsfeld, das den Kindern erm�glicht, in noch gr��eren schulischen und gesellschaftlichen Zusammenh�ngen, wie in der Schulversammlung oder in der gro�en �ffentlichkeit sicher auftreten zu k�nnen.
In der Schulversammlung kann zu Verletzungen von Paragraphen der gemeinsam verfassten Schulordnung, zu Gegens�tzen oder Widerspr�chen Stellung bezogen, Vorschl�ge, W�nsche oder Schwierigkeiten innerhalb des Gemeinwesens die die ganze Schule betreffen, eingebracht und diskutiert werden. Zentrales Anliegen dieses Gremiums ist es, durch Dialog und Konsensbildung m�glichst optimale L�sungen f�r alle zu finden. In der Schulversammlung werden auch Informationen weitergegeben, Ergebnisse aus dem Unterricht pr�sentiert oder bestimmte Leistungen gew�rdigt, z.B. der Sozialpreis verliehen. Hier werden die Paragraphen der Schulordnung verabschiedet und von allen Lehrern und Sch�lern unterschrieben. Hier wird die Schulgemeinschaft gepflegt und f�r jeden im Ganzen sichtbar.
Projekte � Orte der Wirklichkeit
Schule muss dar�ber hinaus Ernstsituationen schaffen, in denen soziale, �kologische und politische Sachzusammenh�nge inhaltlich erschlossen werden k�nnen. Deshalb r�umen wir der Projektarbeit im Kern des Unterrichts einen besonders hohen Stellenwert ein. Projekte sind der Ort, an dem st�ndig gehandelt, problem- und l�sungsorientiert gearbeitet wird. Es m�ssen laufend Entscheidungen getroffen, Konflikte konstruktiv und Dilemmata situativ gel�st werden, damit das gemeinsame Vorhaben nicht scheitert. Vor Beginn jedes Projektes wird in der Sch�lerversammlung das Projekt vorgestellt, besprochen und der Projektvertrag zwischen Sch�lern und Lehrern geschlossen. Die Sch�ler verpflichten sich durch einen schriftlichen Kontrakt f�r das Projekt und erkl�ren sich durch diesen Vertrag bereit, mitzuarbeiten, bis das angestrebte Ziel erreicht ist, auch wenn dies mit Mehrarbeit und zus�tzlichen Nachmittagen verbunden ist. Sie �bernehmen damit zum einen die Mitverantwortung f�r die gemeinsame Sache und zum anderen f�r ihre eigenen Lernprozesse und bringen zunehmend Ideen, Interesse, Fragestellungen, die sie bewegen, in die unterrichtliche Arbeit ein. Schule wird zu einem wichtigen Ort, an dem die geleistete Arbeit, das was man tut, einen echten Gegenwert erh�lt.
Jedes Alter hat seinen eigenen Schwerpunkt
F�r die einzelnen Klassenstufen der Hauptschule haben sich innerhalb der Projektarbeit thematische Schwerpunkte herausgebildet. Ber�cksichtigt werden dabei die bisherige Schullaufbahn der Kinder, ihre Interessenslagen und ihre entwicklungspsychologischen Voraussetzungen in der jeweiligen Altersstufe. Die Schwerpunkte haben einerseits inhaltliche Akzente, andererseits dienen sie der Entwicklung altersgem��er Handlungskompetenzen, Wertvorstellungen und Pers�nlichkeitsmerkmalen. In den Projekten, insbesondere bei der Theaterarbeit in Klasse 5 und 7 arbeiten wir intensiv mit vielen Experten von au�en, wie Schauspieler, Rhythmiklehrer, Musiker, Handwerker, Landschaftsg�rtner, Erlebnisp�dagogen, dem Schmied oder dem Zimmermann und mit anderen Institutionen zusammen.
Klasse 5:
In Klasse 5 wird Theater gespielt. Wir nehmen auf die individuelle Lebens- und vor allem auf die Eingangssituation der Kinder in die Hauptschule R�cksicht. Die Sch�lerinnen und Sch�ler sollen durch einen ganzheitlichen Ansatz, der im Theaterspiel in besonderer Weise gegeben ist, zu einer Neuorientierung gelangen, die ihnen in emotionaler Hinsicht die Ausbildung von mehr Sicherheit und Selbstbewusstsein erm�glicht. Es geht vor allem um den Prozess, die Erfahrungen, die die Kinder mit sich selbst, ihrem K�rper, ihren Mitsch�lern, den Erwachsenen und mit den neuen R�umen machen.
Klasse 7:
Schwerpunkt in Klasse 7 ist die professionelle Theaterarbeit, der Umgang mit Sprache im Zusammenspiel mit K�rperbewegung und K�rperbeherrschung, die theatralische Ausarbeitung und Umsetzung des St�ckes bis hin zur Auff�hrung, also eine deutliche Hinwendung zum Produkt. In weit st�rkerem Ma�e als in Klasse 5 bestimmt hier das Ziel die Arbeit. Innerhalb einer festgesetzten Zeit m�ssen alle Arbeiten erledigt sein. Oft wird an vielen Nachmittagen bis in die Abendstunden hinein gearbeitet und geprobt. Die Sch�ler erfahren, was es hei�t, unter der Anleitung von Experten - unter fast professionellen Bedingungen - Theater zu spielen.
Klasse 6:
Die Kinder der 6. Klasse haben gro�es Interesse an biologischen, �kologischen und fr�hgeschichtlichen Themen, aber auch am Experimentieren, Erkunden und Untersuchen. Wir erfahren immer wieder, wie wichtig auch aufregende und unmittelbare Erlebnisse f�r Kinder in diesem Alter sind. Beim "H�hnerprojekt" bspw. wurden K�ken in einem Brutapparat ausgebr�tet, im Klassenzimmer aufgezogen und dabei die gesamte Jugendentwicklung der K�ken verfolgt, dokumentiert und ausgewertet.
Seit vielen Jahren arbeiten wir mit den Experten von "alb ergo", einer erlebnisp�dagogischen Einrichtung auf der Schw�bischen Alb zusammen. Natursportliche Aktivit�ten, wie Klettern im Fels oder auf hohe Tannen, H�hlenerkundung und Orientierungsmarsch werden mit �kologischen und geologischen Fragestellungen verkn�pft und die Kinder f�r Zusammenh�nge innerhalb der �kosysteme sensibilisiert.
Klasse 8:
Im 8. Schuljahr geht es um Berufserkundung und Berufsfindung. In der Firma Altina produzieren die 8.-Kl�ssler unter marktwirtschaftlichen Bedingungen Waren und vertreiben diese. Nach einer Marktanalyse wechseln die Produkte von Jahr zu Jahr. Dabei werden alle Bereiche betrieblichen und unternehmerischen Handelns von den Sch�lern durchgespielt bzw. "handgreiflich" erlebt. Planspielwirklichkeit und betriebliche Wirklichkeit im zweiw�chigen Betriebspraktikum und in den Tagespraktika werden miteinander verglichen. Betriebsr�te, Gewerkschaftler, Designer, die Berufsberaterin und andere Experten unterst�tzen und beraten die Sch�ler bei innerbetrieblichen Fragen, bei Betriebsratssitzungen, Betriebsversammlungen, bei der Gewerkschaftsarbeit und bei der Herstellung des Werbeprospektes, aber auch bei der Bewerbung um ihre Lehrstellen. Nach dem Ansatz von �Projekt Adventure� rundet ein Schl�sselqualifikationstraining dieses Projekt ab.
Klasse 9:
Verbindungen zwischen der eigenen, der lokalen und der Weltgeschichte herzustellen, ist Schwerpunkt in Klasse 9. Die Sch�ler schreiben ihre Autobiographie oder interviewen ortsans�ssige alte Menschen und stellen deren Lebensgeschichte mit Texten und Bildern dar. In Klasse 9 sind die Sch�ler in der Lage, Geschichtsbewusstsein zu entwickeln. �ber die eigene Geschichte, die Geschichte anderer, �ber lokale Bez�ge k�nnen sie Verbindungen zu gr��eren geschichtlichen Zusammenh�ngen und Ereignissen herstellen. Es geht darum, "Geschichte" hautnah zu erfahren, sie an Orte und Personen zur�ckzubinden, sie in Archiven anfassen zu k�nnen, um Geschichte in der Gegenwart verstehen und die Gegenwart aus ihr heraus erkl�ren zu k�nnen.
Da die Projektergebnisse immer �ber das Klassenzimmer oder die Schule in eine �ffentlichkeit hinausreichen und in den Alltag gestaltend oder ver�ndernd eingreifen, entsteht eine politische Dimension in der Schule, indem die Sch�lerinnen und Sch�ler erfahren, dass ihre Ergebnisse gesellschaftliche Relevanz besitzen und auch in der Welt der Erwachsenen etwas z�hlen.
�ffnung und Vernetzung der Schule mit dem Gemeinwesen
Schule muss ernst werden, hei�t nicht zuletzt, Schule nach au�en zu �ffnen und mit dem Gemeinwesen zu vernetzen. Im F�rderverein der "Offenen Runde Kinder- und Jugendarbeit in Altingen" haben wir Schule, Kirchen, Vereine, Gemeindeverwaltung, Betriebe und Firmen unter einem Dach versammelt. Durch inhaltliche Auseinandersetzung und die Durchf�hrung gemeinsamer Projekte entstand eine gemeinsame Verantwortung f�r unsere Kinder und Jugendlichen im Ortsteil. �ber Jahre hinweg entwickelte sich gegenseitiges Vertrauen und entstanden neue Handlungsspielr�ume. Gemeinsame Prozesse wurden durch diese Kooperationen im �ffentlichen Raum angesto�en und entwickeln sich weiter.
Ich habe in meinen Ausf�hrungen den Schwerpunkt auf Mitbestimmung und Projektarbeit gelegt. Unser Videofilm �Weil sie wirklich lernen wollen�, soll Ihnen nun unsere Arbeit und unseren Schulalltag in seiner Vielfalt veranschaulichen und nahe bringen und einen kurzen �berblick �ber das Altinger Konzept geben, auch wenn nicht alle Elemente in der k�rze der Zeit sichtbar gemacht werden k�nnen.
Der Weg ist das Ziel
Es ist klar, dass sich der schulische Alltag an unserer Schule nicht in dieser Dichte ereignet. Es w�re au�erdem bei aller Begeisterung und bei allem Engagement nicht in Ordnung, wenn wir verschweigen w�rden, wie sehr die Arbeitsbelastung aber auch die pers�nlichen Schwierigkeiten mit der Ver�nderung unserer Schule und unserer unterrichtlichen Praxis, mit der Ver�nderung unserer eigenen verinnerlichten Schulstrukturen zeitweise zugenommen haben.
Andere Arbeitsformen, wie das Projekt oder die freie Arbeit in den Kursen, fordern zus�tzlichen Einsatz, brauchen eine andere Ausstattung der R�ume und unterschiedlichste Materialien f�r die Gestaltung und Differenzierung des Unterrichts. Sie fordern au�erdem verl�ssliche Formen der Zusammenarbeit und Absprachen, die eingehalten werden m�ssen, die jedoch trotzdem in der allt�glichen Hektik oft untergehen. So f�hlten sich beispielsweise Fachlehrer �berfordert, wenn sie pl�tzlich, ohne es eigentlich zu wollen, gleichzeitig an mehreren Projekten beteiligt waren. Vieles konnte oft durch die Zunahme des Arbeitsdruckes nicht richtig abgesprochen werden, und die einen wussten oft nicht, was die anderen taten. Projektteams wurden gebildet, die sich wiederum untereinander abstimmen mussten. Noch mehr Einsatz und Auseinandersetzung, sowohl auf der Ebene des Unterrichts als auch im Kollegium.
Wir �berlegten immer wieder, ob sich Aufwand und Ertrag noch im richtigen Verh�ltnis befinden, ob atmosph�rische Verschlechterungen im Kollegium auf den zunehmenden Arbeitsdruck zur�ckzuf�hren sind und wie dies alles zu ver�ndern sei. Aber woher die Zeit nehmen, um dies alles laufend zu kl�ren: in drei Wochen hatten die F�nfer Premiere, in Klasse sechs waren die K�ken geschl�pft und auch in der Siebten lief die Theaterarbeit auf Hochtouren. Diejenigen, die in den Projekten arbeiteten, f�hlten sich teilweise von den anderen nicht gen�gend unterst�tzt und verstanden, die anderen litten unter der Anspannung der "Projektler" oder f�hlten sich durch deren Aktivit�ten verunsichert.
Immer dann, wenn es darum ging, Mittel f�r die Expertenhonorare zu beschaffen, standen die zentralen Fragen im Raum: Wollen wir diese offenen Unterrichtsformen? Wollen wir vor allem die aufwendigen Theaterprojekte in diesem Umfang? Ist es das, was wir zum Markenzeichen unserer Schule machen wollen? K�nnen und wollen wir die daf�r notwendige Mehrarbeit in den n�chsten Jahren tragen? Fragen, die zu Themen in Gesamtlehrerkonferenzen und P�dagogischen Tagen wurden. Die Schere begann sich langsam zu �ffnen, und die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit wurde immer deutlicher. Das, was wir in unseren ideellen und idealen Vorstellungen umsetzen wollten und das, was wir in der konkreten Alltagssituation umsetzen konnten, klaffte zeitweise stark auseinander.
Die Arbeit hatte sich, ohne dass uns das sofort klar geworden w�re, zum Teil verselbst�ndigt und hatte eine eigene Dynamik entwickelt. Gab es beispielsweise Probleme mit Sch�lern, sorgten unterschiedliche Reaktionen innerhalb des Kollegiums f�r zus�tzlichen Konfliktstoff. Durfte bei einer Kollegin eine Sch�lerversammlung einberufen werden, galt das nicht f�r alle anderen Kollegen in gleicher Weise. Die Sch�ler begannen, Dinge und Verfahren einzufordern. Warum hat diese Klasse ein Aquarium und wir nicht? Warum d�rfen die Sch�lerversammlungen durchf�hren und wir nicht? Das ist doch ungerecht! Sie versuchten, Kolleginnen und Kollegen gegeneinander auszuspielen. Alles wurde �ffentlicher. An einem P�dagogischen Tag wurde die Sch�lerversammlung deshalb zum Thema. Wer hatte welche Erfahrungen damit? Was durfte innerhalb dieser Veranstaltungen angesprochen werden? Wie sahen die Regeln aus? Wo waren die Grenzen? Konnte sie f�r alle Klassen verbindlich eingef�hrt werden?
In diese oft angespannten Situationen kamen dann noch Fragen von Seiten der Eltern: Ob die Kinder bei dieser Art von Unterricht gen�gend lernten, ob dadurch Schreiben und Rechnen nicht zu kurz k�men, der Bildungsplan erf�llt w�rde und ob sie den Pr�fungsanforderungen in der neunten Klasse gewachsen sein w�rden? Eigene Zweifel kamen auf. Verunsicherungen auf beiden Seiten. Woher sollten wir das alles letztlich wissen, mussten wir doch diese Erfahrungen teilweise selbst zuerst einmal machen. Immer wieder musste auf's Neue in einer Situation �berzeugungsarbeit geleistet werden, in der wir teilweise selbst schwammen.
Dar�ber hinaus wurde durch die Zusammenarbeit mit den Experten in den Projekten und durch die ver�nderten Lernformen die bis dahin selbstverst�ndliche Rolle des Lehrers in Frage gestellt. Die Experten waren oft diejenigen, die die inhaltliche Arbeit trugen. Waren wir bislang die Souver�ne in dieser Sache, lernten wir nun in den Projekten selbst mit, gingen wir selbst beim Schauspieler, bei der Rhythmiklehrerin, bei der Schneidermeisterin oder beim Zimmermann in die Lehre. Die Lehrerrolle ver�nderte sich. Nun musste nicht mehr vornehmlich Stoff vermittelt, sondern es mussten Lernprozesse organisiert und koordiniert, in Konfliktsituationen vermittelt, Aufgaben delegiert und innerhalb des Unterrichtes in hohem Ma�e differenziert werden.
F�r die Finanzierung der Projekte und der Experten bekamen wir in der Vergangenheit �ber die Stiftung f�r Bildung und Behindertenf�rderung, die Robert Bosch Stiftung, das Kultusministerium und die Gemeinde Ammerbuch Gelder. Au�erdem war unsere Schule Modellprojekt der Robert Bosch Stiftung geworden. Damit waren wir auch inhaltliche Verpflichtungen eingegangen und mussten Vorgaben erf�llen, die sich nicht zu jeder Zeit mit unseren Bed�rfnissen und M�glichkeiten deckten. Neben der t�glichen Arbeitsbelastung standen wir unter dem st�ndigen Druck, "f�rderungsw�rdig" zu bleiben. Fast jede Antragsrunde brachte neue Aufgaben mit sich.
Daraus resultierte, dass wir uns - und dies nicht immer freiwillig - zunehmend mit schultheoretischen Fragen auseinandersetzen mussten. Durch das Profil, das unsere Schule nach au�en gewonnen hatte, entstanden zus�tzliche Erwartungen an uns. Auch wollten wir nicht hinter unsere eigenen Anspr�che zur�ckfallen. Durch diesen Handlungsdruck stellten und entschieden wir viele Antr�ge, die in Konferenzen zur Abstimmung kamen, auf der ideellen, statt auf der praktischen Ebene. Oft hatten wir das Gef�hl fremdbestimmt zu werden.
Schulinterne Lehrerfortbildung fand inzwischen auf drei Ebenen statt: Erstens auf einer informellen Ebene zwischen den Kollegen, auf der Arbeitsergebnisse, praktisches Wissen und individuelle Erfahrungen einzelner Kollegen und verschiedener Gruppen f�r andere sichtbar und zug�nglich gemacht wurden. Zweitens in der praktischen Arbeit mit den Experten im Unterricht. Und drittens auf einer theoretischen Ebene in Konferenzen und P�dagogischen Tagen, wenn es darum ging, unsere Entwicklungsschritte konzeptionell zu fassen. Und das alles kostete nat�rlich wiederum viel zus�tzliche Zeit.
Auch wurde uns im Verlauf des Prozesses klar, dass nicht von jedem im Kollegium erwartet werden kann, dass er oder sie die gleiche Bereitschaft und das gleiche Engagement mitbringt, dieselben zeitlichen und pers�nlichen Ressourcen hat oder die gleiche Notwendigkeit daf�r sieht, Schule von innen zu ver�ndern. Eine Sache gemeinsam tragen, hei�t auch nicht, dass alle das Gleiche tun. Es bedeutet auch zu akzeptieren und auszuhalten, dass es unterschiedliche Vorstellungen, Stile, Temperamente und Qualit�tsma�st�be gibt und dass diese nebeneinander bestehen d�rfen. Trotz aller Unterschiedlichkeit musste jedoch ein Grundkonsens gewahrt bleiben, damit man sich nicht in Beliebigkeit verlor. Deshalb versuchten wir, die Entwicklung an unserer Schule gemeinsam zu tragen, uns gegenseitig zu unterst�tzen und zu erg�nzen oder den anderen wohlwollend gew�hren zu lassen; keine Gleichmacherei, sondern das Bewahren der Unterschiedlichkeit war unser Anliegen.
Wir wissen jedoch heute: Wenn sich eine Schule auf den Weg begibt, eine andere Praxis zu entwickeln, braucht sie f�r diese Entwicklungsarbeit nicht nur zus�tzliche Finanzmittel und eine qualifizierte schulinterne Fortbildung, sondern vor allem f�r einen begrenzten Zeitraum eine zeitliche Entlastung f�r das Kollegium. Denn Reformen sind nicht kostenneutral zu haben. Irgend jemand bezahlt den Preis daf�r. In die Entwicklungsabteilung eines Unternehmens in der freien Wirtschaft wird mit am meisten investiert, will man mit den nationalen und internationalen Entwicklungen Schritt halten und konkurrenzf�hig bleiben, will man Fehlentwicklungen vermeiden. Warum sollte dieses Prinzip � insbesondere nach PISA - nur f�r die Wirtschaft, nicht aber f�r die Schule gelten?
Bei den Bestandsaufnahmen, die wir immer wieder unter der Fragestellung "Was hat sich f�r uns pers�nlich ver�ndert?" durchf�hren, hielten wir trotz aller beschriebenen Belastungen und Schwierigkeiten jedoch zu fast jeder Zeit fest: Wir haben unseren Unterricht und unsere Unterrichtsorganisation ver�ndert. Wir lernten, im Team zu arbeiten. Wir sind freier geworden und trauen uns mehr Neues und Eigenes auszuprobieren. Wir entwickelten mehr Selbstsicherheit und ein anderes Selbstverst�ndnis gegen�ber unserer Arbeit. Wir lernten mit Experten zusammenzuarbeiten. Wir haben uns und unsere Sch�ler in neuen Zusammenh�ngen kennen gelernt. Wir ver�nderten unsere R�ume und deren Einrichtung grundlegend. Wir sammelten einen gro�en Fundus an Gegenst�nden und viele Erfahrungen.
Was wir st�ndig ver�ndern wollen, ist, Anspruch und Wirklichkeit, Aufwand und Ertrag in ein besseres Verh�ltnis zu bringen. Wir wollen ohne gro�e Qualit�tseinbu�en reduzieren. Wir wollen unsere Arbeit aus gr��erer Distanz betrachten und uns einen noch gr��eren gemeinsamen theoretischen Hintergrund schaffen. Wir wollen konzeptionelle Entwicklungsarbeit nicht auf Kosten der Spontaneit�t und der Atmosph�re im Kollegium betreiben und wollen gegenseitig voneinander lernen, um damit auch die Ressourcen vor Ort besser zu n�tzen. Ein st�ndiger immer wiederkehrender Prozess.
Unser Kollegium hat sich zwischenzeitlich fast erneuert. Wir konnten �ber Bewerbungsgespr�che die Kolleginnen und Kollegen aussuchen, die sich speziell f�r das Altinger Konzept interessieren und sich mit unserer Arbeit identifizieren k�nnen. Es arbeiten heute an unserer Schule ausschlie�lich Kollegen und Kolleginnen, die die Arbeit, das Altinger Konzept mittragen. Die Atmosph�re ist entspannter. Vieles von dem, was wir uns als Erleichterung vorgenommen haben, haben wir organisatorisch gel�st. Unsere Arbeit ist multipliziert und Elemente des Altinger Konzeptes flossen in die neuen Bildungspl�ne in Baden W�rttemberg mit ein. Wir k�nnen f�r uns sagen, der Einsatz, den wir an einer kleinen Schule, in einer kleinen Gemeinde und dem noch kleineren Ortsteil Altingen zusammen mit Sch�lern und Eltern, mit Unterst�tzung vieler Experten und F�rderer geleistet haben, hat sich gelohnt, nicht nur f�r uns, sondern f�r die Schulentwicklung im Ganzen. Wir wollten keine Phase dieser Entwicklung und die daraus gewonnenen Erkenntnisse missen, auch wenn es manchmal sehr schmerzhafte Erfahrungen waren. Wir verfolgen laufend neue Ziele und arbeiten stetig daran, der konkreten Utopie einer besseren Welt k�nnte etwas n�her zu kommen.
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